Verbote fördern den Drogenkonsum

Hier die deutsche Übersetzung eines Berichts der im Britishen Guardian veröffentlicht wurde:

Ecstasy

Anstieg bei legalen Rauschmitteln wird von Drogenverboten gefördert

Ersatzstoffe für Drogen wie MDMA und Cannabis erfahren derzeit einen Aufschwung, während mangelnde Qualitätskontrollen bei sämtlichen Straßendrogen ein Risiko für ihre Konsumenten bedeutet.

Mike Power guardian.co.uk, Donnerstag, 29. Mai 2013 10.12 BST

Legal Highs: ‚es gibt allein in der EU 700 Webseiten, die solche Drogen verkaufen und viele weitere, die dies auf postalischem Wege tun‘ Die meisten Menschen, die in den 70er, 80er und 90ern aufgewachsen sind – und sogar solche, die während dieser Zeit Drogen nahmen – haben keine Ahnung, wie es auf dem heutigen Drogenmarkt aussieht. Vergessen Sie die Acid-Ausbrüche und den Dope-Qualm der 70er, den zappeligen Glamour von Koks, die grimmige Ankunft von Crack und die billige Heroin-Ära der 80er – selbst den milden ekstatischen Ausbruch von Acid House: Die heutige, sich ständig wandelnde Drogenkultur ist anders: digital und äußerst dezentral.

Die Meldung der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA), dass es 280 neue legale Drogen gibt, die in Europa verkauft werden ,wird einige alarmieren, viele neugierig machen und niemanden überraschen, der die Entwicklung des Online-Handels mit neuen Drogen während der letzten Jahre beobachtet hat. Die Zahlen selbst erzählen eine einfache Geschichte: Es werden jetzt mehr als die 234 1961 und 1971 von den UN-Konventionen verbotenen Drogen verkauft. Vorstöße zum Verbot neuer Drogen beflügeln schlicht und einfach chemische Innovationen, die das Gesetz umgehen.

Fragen Sie einen Polizeibeamten, welche der folgenden Substanzen legal ist: AMT, 6-APB, 25I-NBOME, 5F-AKB-48 oder ETOH. Alle von ihnen, und die meisten Städte haben bereits einen Laden, der sie in der ein oder anderen Form verkauft. (Die letzte Substanz ist Booze, die tödlichste legale Droge der Welt, die weltweit 320.000 junge Menschen zwischen 15-29 Jahren tötet bzw. 9% der Tode in dieser Altersgruppe verursacht). Abseits der Hauptstraße gibt es allein in der EU 700 Webseiten, die diese Drogen direkt verkaufen, und viele andere, die dies auf postalischem Wege tun. Wenn wir schon nicht die jährliche containerweise Einfuhr von Kokain und Cannabis verhindern können, wünschen wir der Royal Mail oder jedem anderen qualifizierten Anbieter viel Glück, der diese Aufgabe im Zuge der Postprivatisierung übernimmt und jeden Tag 70m Briefe im Vereinigten Königreich auf darin versteckte Drogenpakete durchsucht.

Aber es wird selten darüber berichtet, was diese neue Drogen sind, was sie tun und wer sie warum nimmt. Ist kein Journalist neugierig? Ich war es und habe mich dazu entschieden, mehr darüber herauszufinden. Die einfache Antwort ist, dass die meisten dieser Drogen als ein Ersatz für MDMA (besser bekannt als Ecstasy), Cannabis, LSD und Pilze, die Psilocybin (besser bekannt als Magic Mushrooms) fungieren. Für die letzten drei Drogen gibt es keine Aufzeichnungen über durch Vergiftung herbeigeführte Todesfälle. Ecstasy kann töten und tut es auch – und die Zahl dieser Tode könnte verringert werden, wenn der Markt reguliert und kontrolliert werden würde, sagen Ärzte.

Zwischen 2006-2007 verursachte Ecstasy im Vereinigten Königreich, zusammen mit anderen Drogen, durchschnittlich 35 Todesfälle pro Jahr, berichtet das Office for National Staistics. Die durchschnittliche Zahl der Todesfälle, in denen Ecstasy als einzige Substanz in der selben Zeitspanne präsent war, beträgt 18, wobei sich die kleinste Zahl der Todesfälle auf 5 pro Jahr belief. Diese Berechnung beruht auf einer wöchentlichen Konsumentenzahl von wenigstens 400.000, der letzten Crime Survey in England und Wales folgend. Das sind über 20.000 Pillen pro Jahr, unter der Annahme, dass jeder Konsument je nur eine Pille nimmt – wobei viele von ihnen mehre konsumieren.

Und auch wenn jeder dieser Todesfälle schrecklich tragisch ist (und viele hunderte Male häufiger darüber berichtet wird als über Todesfälle durch Schlafmittel, Alkohol oder den Missbrauch von Butangas), könnte diese Ziffer durch einen kontrollierten und regulierten Markt gesenkt werden, sagen Adam Winstock und David Nutt. Drogenkonsumenten werden signifikanten und vermeidbaren Risiken ausgesetzt, die aus einer Kombination aus schlechter Politik und einer mangelhaften realen Durchsetzung bestehen, zusammen mit einer nicht vorhandenen Qualitätskontrolle. In diesem Jahr haben im Nordwesten Englands bis zu 10 junge Menschen billige Ecstasy-Pillen gekauft und sind später unter qualvollen Krämpfen an einer Überdosis PMA gestorben, einer tödlichen Substanz, die als MDMA in Pillenform verkauft wird. Wundert es da noch, dass einige nach legalen Alternativen suchen?

Es gibt eine Lösung, aber sie wird höchstwahrscheinlich nicht viel Zustimmung, weder bei den Verbotsverfechtern, noch bei den Verteidigern der Legalisierung, finden. Jetzt jedoch ist die Zeit für Pragmatismus. Ich besuchte in diesem Jahr ein steuerfinanziertes Ecstasy-Pillen-Testlabor in Utrecht. Konsumenten kommen in der Klinik an, übergeben Ihre Drogen ausgebildeten Fachmännern, die sie auf Unreinheiten überprüfen und sie zusammen mit einer Berechnung ihrer Inhaltsstoffe und Verunreinigungen zurückgeben – auch wenn es in den Niederlanden kaum bis garkeine Verunreinigungen und es fast keinen Markt für legale Drogen gibt.

Das Personal erzählte mir, dass 99% der Pillen in den Niederlanden MDMA enthalten. Es gibt Einrichtungen in jeder großen Stadt. Das Wissen darum, dass jeder Konsument seine Drogen prüfen lassen kann, zwingt die dänischen Dealer zur Ehrlichkeit – und die Drogenlieferkette bleibt sauberer als irgendwo sonst in der EU. 1986 autorisierte Margret Thatcher unter Rufen des Zweifels aus ihrer Partei Nadelaustausche für injizierende Heroinkonsumenten und mit einem Schlag sanken die HIV-Raten auf die niedrigsten in Europa, in deutlichem Gegensatz zu Ländern, die ihren Drogenkonsumenten keine sauberen Nadeln boten. Es ist unmöglich, sich vorzustellen, dass der ängstliche David Cameron einen solch radikalen Schritt wagen könnte – selbst wenn er sich seine Haut auf der Ecstasy-überschwemmten Insel Ibiza bräunen lässt.

Quelle: http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2013/may/29/drug-prohibition-rise-legal-highs

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