Freiheit und Selbstverantwortung oder Verbote ?

Repression oder Legalisierung ? freiheit zitat thierse

Im Netz finden sich viele interessante Artikel zu diesem Thema. Hier zwei  Auszüge aus einem äußerst interessanten Beitrag auf: http://www.schildower-kreis.de/themen/repression-oder-legalisierung.html

 

…..er ist auch in unser Grundgesetz eingegangen, nämlich in Art. 2 Abs. 1 GG als Selbstbestimmungsrecht bzw. als Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit, als Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit. Dieses Recht schließt das Grundrecht auf Selbstgefährdung mit ein (und macht auch die Selbstschädigung bis hin zum Suizid straffrei).

1 Vgl. Humboldt 2006, Wolf 1991; als grundlegende Darstellung der liberalen Position in der heutigen drogenpolitischen Diskussion vgl. Husak 1992, kritisch dazu Kaplan 1983: 103-110.

Ein Beispiel, wie sich das in der Drogenpolitik auswirken kann, bietet die Diskussion um das Rauchen, die sich nach einer „Kleinen Anfrage bezüglich der gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Zigarettenrauchens“ 1974 im Bundestag entwickelte. In ihrer Antwort auf diese Anfrage erkannte die Bundesregierung das Bürgerrecht auf Selbstgefährdung ausdrücklich an: „Keiner beabsichtigt, mündige Bürger zu gängeln und gesundheitsgerechtes Verhalten durch Gesetze oder Auflagen zu erzwingen.“ Das bedeutet nicht den völligen Verzicht auf jede Einflussnahme, aber: „Es muss das Ziel sein, Einsicht und Kritik zu wecken…Die Maßnahmen werden ausgewogen sein müssen. Sie sollen auf dirigistische Einflüsse verzichten und das eigenverantwortliche Handeln stärken. Sie sollen überzeugen, nicht Zwang ausüben.“ Selbst dort, wo Fremdgefährdung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (beim Passivrauchen oder bei der verführbaren Jugend) auch von der Bundesregierung ausdrücklich anerkannt wird, bleibt diese mit einschränkenden Regelungen sehr vorsichtig, „ausgehend von dem Grundsatz, dass gesetzliche Eingriffe auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken sind“ (Bundesregierung 1974: 11f., und Bundesregierung 1977: 6).

……..personal-freedom

Auch im deutschen Betäubungsmittelrecht 2 wird der liberale Grundsatz anerkannt, dass Handlungen, die keinen Dritten, sondern nur möglicherweise den Handelnden selbst gefährden, straffrei zu bleiben haben: Der Konsum auch von Heroin, Kokain, Cannabis usw. ist in Deutschland nicht mit Strafe bedroht. Allerdings folgt man dem Grundsatz nur halbherzig und rein formell, denn jeder andere Umgang mit diesen Drogen (soweit er nicht aus medizinischen Gründen oder als wissenschaftliche Forschung ausdrücklich erlaubt ist) steht unter Strafandrohung. Wenn aber Einfuhr, Abgabe, Erwerb, Besitz illegal sind, dann wird auch die eigentlich verfassungsrechtlich garantierte Freiheit zum Konsum beschnitten. Auch das Verbot von Handlungen, die eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung ermöglichen, widerspricht dem strafrechtlichen Grundsatz, dass Anstiftung, Beihilfe, Ermöglichung nur strafbar sein können, wenn sie eine strafbedrohte Haupttat ermöglichen oder anstiften. An dieser fehlt es aber beim Drogenhandel, denn die ermöglichte Haupttat, der Drogenkonsum, ist nicht strafbar. Insofern dürfte sich der Drogenhändler sowenig strafbar machen wie der Motorradverkäufer sich strafbar macht, wenn der Fahrer dann auf der Maschine sein Leben riskiert. Unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung dürfte eine ermöglichende Handlung nur verboten sein, wenn bei der Haupttat nicht eigenverantwortlich gehandelt wird, was bei Jugendlichen oder Süchtigen der Fall sein könnte. Dann wäre allerdings im Falle der Jugendlichen noch zu begründen, dass diese nicht durch andere Maßnahmen geschützt werden könnten als durch die Ultima Ratio strafrechtlicher Verbote, die auch eigenverantwortlich handelnden Erwachsenen ihre Handlungsfreiheit nehmen (solche anderen Maßnahmen gibt es z. B. bei Alkohol, Tabak, Teilnahme am Straßenverkehr, Zugang zu pornographischen Schriften usw.). Auch im Falle der Süchtigen wäre die fehlende Eigenverantwortlichkeit nachzuweisen. Die „Sucht“, auf jeden Fall ein vager und schillernder Begriff, erweist sich aber nach allen Erfahrungsberichten in der empirisch ausgerichteten Literatur nicht als der unwiderstehliche Zwang, als der sie in den strafrechtlichen Begründungen postuliert wird 3. Dazu kommt, dass die überwältigende Mehrheit der Drogenkonsumenten nicht als süchtig angesehen werden kann und dass auch – für die Diskussion noch wichtiger – nur ein geringer Prozentsatz der Probierer, der Gelegenheitskonsumenten und der regelmäßig aber kontrolliert Gebrauchenden Gefahr läuft, in Abhängigkeit bzw. Sucht zu geraten.

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Der ganze Beitrag auf:

Quelle

http://www.schildower-kreis.de/themen/repression-oder-legalisierung.html

2 Gedanken zu „Freiheit und Selbstverantwortung oder Verbote ?“

  1. Neue Psychoaktive Substanzen = Arzneimittel? BGH legt Verfahren dem EuGH vor

    Die Strafrechtliche Beurteilung beim Umgang mit Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS), auch Legal Highs genannt, ist seit Jahren unter den Juristen umstritten. Zuletzt entschied das OLG Nürnberg am 10.12.2012, dass solche Substanzen dem Arzneimittelgesetz (AMG) unterliegen. Andere Stimmen sagen, dass das Arzneimittelgesetz hier keine Anwendung finden dürfe, da es bei den NPS an einer therapeutischen Wirkung fehle. Mit Spannung wurde daher eine erste Entscheidung des BGH erwartet. Mit dieser Rechtsfrage ist dort u.a. der 3. Strafsenat befasst, der über die Revision eines Verkäufers von Kräutermischungen mit den Zusätzen JWH-210 und RCS-4, welcher in der ersten Instanz wegen Verstoßes gegen das AMG zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten mit Bewährung verurteilt worden war, zu entscheiden hat. Doch der 3. Strafsenat schafft mit seinem heute veröffentlichten Beschluss vom 28.05.2013 keine Klarheit (3 StR 437/12 = BeckRS 2013, 10903), denn er legt das Verfahren dem EuGH zur Entscheidung vor.

    Hintergrund dieser Vorgehensweise ist, dass in § 2 AMG die Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG umgesetzt und der europäische Arzneimittelbegriff in das deutsche Arzneimittelrecht übernommen worden ist. Die Frage, ob NPS tatsächlich als sog. Funktionsarzneimittel nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG dem Arzneimittelgesetz unterfallen mit der Folge, dass das Inverkehrbringen strafbar ist, obliegt daher dem Gerichtshof der Europäischen Union, so der BGH.

    Zum Meinungsstreit führt der Beschluss Folgendes aus:

    „In Rechtsprechung und Literatur zu § 2 Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a) AMG ist umstritten, ob hinsichtlich des Merkmals „beeinflussen“ ausreichend ist, dass Körperfunktionen durch die pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung des eingenommenen Stoffes in irgendeiner – gegebenenfalls gesundheitsschädlichen – Weise beeinflusst werden, oder ob ein „Beeinflussen“ nur vorliegt, wenn damit ein therapeutischer Nutzen oder jedenfalls eine positive Beeinflussung der physiologischen Funktionen im Sinne einer therapeutischen Zielrichtung erreicht wird.

    Es bleibt also spannend bei der rechtlichen Beurteilung der NPS. Wegen der Eilbedürftigkeit bittet der 3. Strafsenat übrigens darum, über das Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit Vorrang zu entscheiden.

  2. Das Centre for Drug Research an der Goethe-Universität Frankfurt am Main führt eine Umfrage zu „Legal Highs“ durch. Mit dieser Umfrage sollen Erkenntnisse über die Erfahrungen von Konsumierenden mit diesen Substanzen gewonnen werden, um diese dann zur Entwicklung von Präventionsangeboten und -hinweisen zu nutzen. Diese Umfrage ist Teil des EU-Projekt „SPICE II Plus“ unter Leitung von PD Dr. Volker Auwärter am Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Freiburg.

    Link zur Umfrage: https://limesurvey.uni-frankfurt.de/limesurvey/index.php?sid=48715&newtest=Y&lang=de

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